Erschienen in »Seht den Feigenbaum«, Nr. 309 -
Jan/Feb 2014 (www.feigenbaum.de)
(RK) Die Ecumenical Fraternity ist eine der
wenigen christlichen Einrichtungen, die in der Lage zu sein scheint, die
Einheit unter den Christen in Israel zu fördern. Sie umfasst die verschiedenen
Richtungen der Protestanten, Katholiken und Orthodoxen. Die deutsche Pfarrerin
Frau Dr. Petra Heldt ist seit 1987 die Direktorin der Fraternity. Ihr wurde
2013 ein Preis vom Knesset-Ausschuss für christliche Angelegenheiten verliehen,
der die Fraternity als besonders lobenswerte christliche Arbeit im Land
auszeichnet. Im Rahmen unseres Besuchs 2013 in Israel hatten wir die
Möglichkeit, mit Frau Dr. Heldt über die Arbeit der Fraternity zu sprechen:
Frau Heldt, was bedeutet der Name
Ecumenical Fraternity und was verbirgt sich dahinter?
Der korrekte Name der Einrichtung lautet:
»Ecumenical Theological Research Fraternity in Israel« was so viel bedeutet wie
Ökumenische Theologische Forschungsgemeinschaft in Israel. Gegründet wurde sie
1966 als Umsetzungsorgan der Erklärung »Nostra Aetate« zur Erneuerung des
Verhältnisses von Christen und Juden, die ein Jahr zuvor beim Zweiten
Vatikanischen Konzil verlesen wurde. Diese Erklärung distanziert sich von der
Ersatztheologie und bestätigt, dass der Bund mit Israel nicht aufgehoben ist.
Der Theologe Karl Barth kommentierte es so: »Die ökumenische Bewegung wird
durch den Heiligen Geist geleitet, aber vergessen Sie nicht, dass es dabei nur
um eine wirklich wichtige Frage geht: Unsere Beziehung zu Israel.«
Offensichtlich hält Barth die Heilung des uralten Risses zwischen Juden und
Christen für die bedeutendste Aufgabe der Ökumene. Diese Art biblischer Ökumene
bezieht sich darauf, dass Juden und Christen der weitaus größte Teil der
Schriften der Bibel gemeinsam ist. Der Gründer der Fraternity, Peter Schneider
lud damals alle Kirchen ein, gemeinsam in der Fraternity zu arbeiten. Der
Einladung folgten die katholische, evangelische, anglikanische und die
lutherische Kirche, ferner Benediktiner, Jesuiten, Dominikaner und die
Zionsbrüder. Vor ca. 20 Jahren kamen auch die orthodoxen Kirchen mit dazu.
Wem gegenüber ist die Fraternity
verpflichtet?
Die Fraternity ist nur der Generalversammlung
der ca. 70 Mitglieder, die aus Vertretern der Kirchen besteht, verpflichtet.
Die Arbeit war und ist von Anfang an unabhängig, d. h. wir sind weder dem
Weltrat der Kirchen, noch dem Vatikan oder sonst jemandem verpflichtet. Das hat
den großen Vorteil, dass wir völlig frei agieren können und nicht auf
politische oder sonstige Entwicklungen in den Kirchen Rücksicht nehmen müssen.
Allerdings hat diese Unabhängigkeit den Nachteil, dass die Fraternity keine
Gelder von diesen Institutionen erhält. Die Arbeit geschieht vollkommen
ehrenamtlich und ist auf Spenden angewiesen.
Was ist das Ziel der Fraternity?
Wir möchten den Kirchen helfen, wieder zu den
jüdischen Wurzeln zurückzufinden. Leider spielen Zeitgeist und politisches
Kalkül in den Kirchen immer mehr eine Rolle. Wir sehen unsere Aufgabe darin,
Hilfestellung zur Orientierung am Wort Gottes, der Lehre Jesu und den jüdischen
Wurzeln zu geben. Ferner möchten wir dabei unterstützen, die christlichen
Beziehungen zu Juden, Judentum und Israel zu vertiefen. Wir sehen uns auch als
eine Art Katalysator im christlich-jüdischen Dialog und für Versöhnung
weltweit. In der Ecumenical Fraternity haben wir die Erfahrung gemacht, dass
zusammen mit dem christlich-jüdischen Dialog auch die innerchristliche Ökumene
wächst. Heute nehmen Vertreter vieler jüdischer israelischer Einrichtungen und
fast aller Kirchen Jerusalems an den Studien und Diskussionen in der Fraternity
teil.
Wie sieht die praktische Umsetzung der
Arbeit aus?
Zum einen veröffentlichen wir Aufsätze und
Bücher und halten Vorträge, Seminare und Studienwochen. Diese finden hier in
Israel statt, z. B. für Gruppen aus Deutschland, Frankreich, England oder den
USA. Auch bin ich mehrmals im Jahr in Bibelschulen oder christlichen
Gästehäusern zu Gast, um dort zu lehren. Im Rahmen ihrer Ausbildung unterrichte
ich auch die israelischen Touristenführer zum Thema Christentum und christliche
Lehre. Dabei erlebe ich oft, wie groß das Erstaunen ist, dass Jesus dieses oder
jenes gesagt hat. Die Herausgabe der internationalen, wissenschaftlichen
Zeitschrift »Immanuel« gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Fraternity. Diese
hat die Forschung zur Förderung des Dialogs zwischen Christen und Juden zum
Thema, sowie die Information über die Erfahrungen, die aus diesem Dialog
gewonnen werden. Die Abonnenten sind neben Einzelpersonen auch
Universitätsbibliotheken. Ein anderer Schwerpunkt der Arbeit ist das Gebet. In
einem regelmäßigen Gebetsbrief werden unter anderem auch die Anliegen der
verfolgten Christen im Nahen Osten aufgegriffen.
(Wer Interesse an dem Gebetsbrief hat, kann
diesen über den Feigenbaum anfordern.)
Frau Heldt, die Fraternity unterstützt seit
Jahren die syrisch-orthodoxen Christen in Bethlehem ganz praktisch. Wie helfen
sie den Menschen dort?
Hauptsächlich die Kinder leiden unter der
bedrückenden Situation. Im Sommer bieten wir deshalb regelmäßig Sommerlager für
sie an, so dass sie auf andere Gedanken kommen, Gottes Wort hören und Freude
beim Spielen und Basteln haben. An Weihnachten konnten wir knapp 200 Kinder mit
einem Päckchen beschenken. Sie enthielten vor allem Schulsachen, die die
Familien sonst selbst kaufen müssten, aber auch Schokolade. Wir versuchen auch
so gut wir können, den Familien mit dem Schulgeld zu helfen. Denn wenn die
Christen ihre Kinder nicht auf die staatliche moslemische Schule schicken
möchten, ist eine kostenpflichtige Privatschule die einzige Alternative.
Kürzlich wurde einem Elektriker sein komplettes Werkzeug aus dem Kofferraum des
Autos gestohlen. Es ist ja sowieso schon schwierig als Christ Arbeit zu
bekommen, aber ohne Werkzeug ist es aussichtslos. Aufgrund der Situation konnte
die Familie die Miete nicht mehr bezahlen. Bevor Schlimmeres geschah hatte die
Fraternity überraschend eine Spende erhalten, die sie an ihn geben konnte, so
dass er sich neues Werkzeug kaufen konnte und nun wieder diverse Arbeiten
ausführen kann.
Frau Heldt, herzlichen Dank für das
Gespräch. Wir wünschen Ihnen für diese wichtige Arbeit viel Kraft und Gottes
Segen.